Stahlkonstruktionen sind auf vielfältige Weise gestaltbar. Neben den unterschiedlichen Querschnittstypen für die stabförmigen Bauteile einer Tragstruktur, können die Verbindungen dieser Hauptelemente – konstruktive Punkte, an denen mindestens zwei stabförmige Bauteile zusammengeführt werden – ebenfalls auf vielfältige Weise ausgeführt werden. Unter Anwendung von mechanischen Verbindungsmitteln (Schrauben, Schweißnähte oder Hochleistungsmörtel) können diese Verbindungen in unterschiedlichen Anschlussvarianten ausgeführt werden. Aufgrund der Weiterentwicklung von Material- und Bauprodukten, bedarf es einer Forschungsarbeit, die sich mit dem Tragverhalten neueingeführter Bauteile und Verbindungselemente auseinandersetzt, sodass die angestrebte Zuverlässigkeit für die gesamte Tragstruktur weiterhin gewährleistet bleibt. Daher beschäftigen sich die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts für Stahlbau im Rahmen unterschiedlicher Forschungsprojekte mit der experimentellen und numerischen Analyse des Tragverhaltens von neuartigen Bauteilen und Verbindungsmitteln.
Forschungsschwerpunkte im Bereich Tragverhalten und Stabilität sind die Ringflanschverbindung und die in der Verbindung verbauten HV-Garnituren, Schweißverbindungen sowie die Grout-Verbindung für Tragstrukturen für Offshore-Windenergieanlagen.
Die Ringflanschverbindungen werden im Stahlbau auf vielfältige Weise eingesetzt. In den Tragstrukturen von Windenergieanlagen sind sie seit vielen Jahren ein wichtiges und unverzichtbares Verbindungselement zwischen Turmsegmenten wie auch zwischen Gründungsbauteilen und Türmen im Offshore-Windbereich. Mit der Tendenz hin zu immer größeren Windenergieanlagen und damit einhergehend immer größeren Tragstrukturen, verbunden mit höheren zu übertragenden Schnittgrößen, steigen die Anforderungen an die Flanschverbindungen und an die in der Verbindung verbauten HV-Garnituren. Seit der Institutsgründung sind mehrere Forschungsprojekte zur Bewertung des Tragverhaltens von Ringflanschverbindungen mit HV-Garnituren erfolgreich abgeschlossen worden. Neben experimentellen und numerischen Untersuchungen des Tragverhaltens an Flanschsegmenten wurde ebenfalls das Anziehverhalten der HV-Schrauben in den Ringflanschen untersucht, welches maßgebend das Tragverhalten beeinflusst. Weiterer Fokus von Forschungsprojekten war das lokale Tragverhalten im gepaarten Gewindegang von HV-Garnituren in Zusammenhang der Bewertung der Ermüdungsfestigkeit von HV-Schrauben. Aktuelle Forschungsprojekte beschäftigen sich mit dem Einfluss von geometrischen Flanschimperfektionen auf das Tragverhalten der Ringflanschverbindung, sowie dem Einfluss des streckgrenzgesteuerten Anziehverfahrens auf das Trag- und das Ermüdungsverhalten von Ringflanschverbindungen.
Schweißverbindungen werden im allgemeinen Stahlbau typischerweise verwendet, um verschiedene Komponenten einer Stahlkonstruktion nicht lösbar miteinander zu verbinden. Vor allem bei dynamisch belasteten Bauten wie Brücken, Krane oder Windenergieanlagen stellen die resultierenden Schweißnähte wegen der geometrischen und materiellen Kerben kritische Punkte dar, für die der Nachweis der Ermüdungsfestigkeit oftmals maßgebend wird. Um die Lebensdauer der Schweißverbindungen bewerten zu können, sind experimentelle Untersuchungen an repräsentativen Prüfkörpern notwendig. Aus diesem Grund werden am Institut für Stahlbau Ermüdungsversuche an diversen Schweißverbindungen durchgeführt.
Bezogen auf die (Offshore-) Windenergie werden Schweißverbindungen wie bspw. die Stumpfnaht bei der Fertigung der Türme oder der Monopile Tragstruktur verwendet, um die einzelnen gebogenen Bleche zu einem zu verbinden. Für die notwendigen Ermüdungsversuche zum Bestimmen der Lebensdauer dieser Konstruktionen werden am Institut für Stahlbau unterschiedliche servohydraulische Prüfmaschinen sowie ein Magnetresonanzprüfrahmen eingesetzt. Im Forschungsvorhaben ventus efficiens wird mit diesen Prüfmaschinen bspw. die Ermüdungsfestigkeit typischer Stumpfstöße unter Berücksichtigung verschiedener Schweißverfahren untersucht. Die Ermüdungsfestigkeit von Schweißnähten ist jedoch nicht nur von dem angewendeten Schweißverfahren abhängig, sondern auch von möglichen mechanischen oder thermischen Nachbearbeitungsverfahren zur Verbesserung der Lebensdauer. Aus diesem Grund beschäftigt sich das Forschungsprojekt DeepRolledWeld mit dem Festwalzen als mögliches Nachbearbeitungsverfahren für Schweißnähte an Monopile Tragstrukturen.
Geometrisch wesentlich komplexere Schweißverbindung, s.g. Hohlprofilknoten, werden bei der Fertigung von Jacket Gründungsstrukturen realisiert, da hierfür mehrere schräg zueinanderstehende Rohre miteinander verschweißt werden müssen. Diese komplexen Stahlkonstruktionen werden bisher manuell geschweißt. Am Institut für Stahlbau hat sich das Projekt FATInWeld zum einen mit der automatisierten Fertigung dieser Hohlprofilknoten beschäftigt. Zum anderen wurde der Einfluss der automatisierten Fertigung auf die Ermüdungsfestigkeit dieser Hohlprofilknoten quantifiziert.
Groutverbindungen werden im Offshore Windenergiesektor, wie auch der Öl- und Gasindustrie für die kraftschlüssige Verbindung zweier Stahlrohre verwendet. Hierbei sind die Stahlrohre unterschiedlichen Durchmessers und mit einer definierten Übergreifungslänge ineinandergesteckt. Durch die Anordnung von Schweißwülsten an den zueinander gewandten Stahlrohroberflächen wird eine Verzahnung und konzentrierte Lastübertragung ermöglicht. Ein üblicher Anwendungsbereich sind Fachwerkstrukturen, die unter Wasser mit den Gründungspfählen kraftschlüssig verbunden werden müssen. Hier weisen Groutverbindungen einen deutlichen Vorteil gegenüber alternativen Verbindungmitteln des Stahlbaus auf. Sie sind gegenüber Korrosion unempfindlich und unter Wasser installierbar. Fachwerkstrukturen werden hierbei einer überwiegend axialen Beanspruchung ausgesetzt. Neben der Anwendung in Fachwerkstrukturen werden Groutverbindungen auch bei Monopile-Strukturen eingesetzt. Diese werden hauptsächlich auf Biegung beansprucht.
Infolge der dynamischen Umwelteinflüsse aus Wind, Welle und Betrieb sind Groutverbindungen über 25 Jahre zyklischen Beanspruchungen ausgesetzt. Diese führen zu einer entsprechenden Ermüdungsschädigung, sofern die Groutverbindungen nicht ausreichend ausgelegt sind. Das Institut für Stahlbau untersucht den Schädigungsmechanismus von Groutverbindungen bereits seit ca. 20 Jahren. Mit einer realistischen Abbildung der Umweltbedingungen unter Wasser kommt es 2016 (GROWup) erstmals zu abweichenden Versagensmechanismen, die bisher nicht Grundlage aktueller Normen sind. Infolge des in die Verbindung eindringenden Wassers, lokaler Groutschädigung an den Schubrippen und elastischen Verformungen kommt es zu einer kontinuierlichen Schädigung durch Ausspülung der zermürbten Groutpartikel und einer entsprechenden Zunahme an Relativverschiebung zwischen Gründungspfahl und Tragstruktur.
Ein weiterer Effekt, der momentan am Institut erforscht wird, ist der Einfluss von frühzeitigen Bewegungen auf das Ansteifverhalten des Groutmaterials und entsprechenden Auswirkungen auf die Tragfähigkeit der Groutverbindung (GREAM). Neben der experimentellen Umsetzung, liegt ein großer Bestandteil der Forschungsarbeit in der numerischen Untersuchung der Problematik.